Mehr als 120.000 Hamburgerinnen und Hamburger haben Wurzeln in einem anderen EU-Land. Sie leisten einen wichtigen Beitrag für unsere Wirtschaft und unser Gemeinwesen, wie eine Große Anfrage der Abgeordneten Filiz Demirel und Mareike Engels ergab. Die meisten EU-Bürgerinnen und -Bürger in Hamburg stammen aus Polen, gefolgt von Rumänien, Bulgarien, Portugal, Italien, Spanien und Kroatien. Viele von ihnen arbeiten in Branchen, in denen es in Hamburg an Fachkräften mangelt. Dazu zählen beispielsweise die Bereiche Verkehr, Logistik, Tourismus, Hotellerie und Medizinische Gesundheitsberufe.
Dazu Filiz Demirel, migrationspolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion: „Die Freizügigkeit innerhalb der EU ist eine Errungenschaft, von der Hamburg stark profitiert. Die Antwort auf unsere Große Anfrage zeigt, dass der Großteil der in Hamburg ansässigen EU-Bürgerinnen und -Bürger ein fester Teil unserer Wirtschaft und Gesellschaft geworden ist. Viele von ihnen lassen ihre Abschlüsse in Hamburg anerkennen und stehen damit dem Arbeitsmarkt als Fachkräfte zur Verfügung. Die allermeisten von ihnen arbeiten in Vollzeit. Die Zahlen der geringfügig Beschäftigten ähneln denen der heimischen Bevölkerung.
Ich freue mich, dass die Zahlen unserer Großen Anfrage eine so klare pro-europäische Sprache sprechen. Sie zeigen, wie eng verwoben Europa bereits ist, und wie sehr Städte wie Hamburg von dieser Vielfalt profitieren.
Daher werden wir uns weiterhin für Freizügigkeit, Anerkennung von Abschlüssen und Berufs- und Sprachförderung einsetzen. Besonders wichtig ist mir vor diesem Hintergrund auch die Förderung politischer und sozialer Teilhabe. Die Bedeutung, die die EU für viele Menschen hat, wird nicht zuletzt anhand der hohen Einbürgerungszahlen von Menschen aus dem Vereinigten Königreich deutlich - die Freizügigkeit ist eine Freiheit, auf die kaum jemand mehr verzichten will.“
Dazu Mareike Engels, sozialpolitische Sprecherin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen Bürgerschaftsfraktion: „Leider beschäftigen wir uns politisch und öffentlich viel zu häufig mit den Problemen, die durch die Zuwanderung von Menschen entstehen können. So stehen die Themen Obdachlosigkeit und Arbeitsausbeutung von Zugewanderten aus der EU oft stärker im Fokus, als die positiven Effekte der Freizügigkeit. Unsere Große Anfrage zeigt: Die EU-Freizügigkeit wird genutzt – und zwar erfolgreich! Die Stadt Hamburg profitiert auf vielfältige Art und Weise und die Zugewanderten können hier – ob temporär oder dauerhaft – arbeiten. Arbeit ist der größte Pull-Faktor. Dieses Ergebnis deckt sich mit der Obdachlosenstudie, in der 71 Prozent Arbeit als Zuwanderungsgrund angegeben haben. Die Anfrage zeigt: Den meisten gelingt dies gut. Zukünftig sollten wir die Menschen verstärkt direkt zu Beginn dabei unterstützten auf dem Hamburger Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, damit die Integration bei allen Zugewanderten von Anfang bestmöglich funktioniert.“
Hintergrund: Die Zahlen zeigen, dass insgesamt 120.659 Hamburgerinnen und Hamburger mit Wurzeln in einem anderen EU- Land in Hamburg leben und einen wichtigen Beitrag für unsere Wirtschaft und Gemeinwesen leisten.
Die Zahlen weisen Zu- und Fortzüge nach. Dabei wandern nicht nur jene Menschen mit einem EU-Migrationshintergrund zu- und fort, sondern auch fast 55.000 Deutsche seit 2015. Das zeigt eine ständige Wanderbewegung der Arbeitskräfte innerhalb der EU. Bei den Zu- und Fortzügen ist Polen auch hier die Nummer eins, gefolgt von Rumänien, Bulgarien, Italien, Spanien und Kroatien.
Die Menschen kommen grundsätzlich aus allen EU-Ländern nach Hamburg und sind hier meistens in den Bereichen tätig, in denen Hamburg Fachkräfte fehlen. Dazu zählen die Bereiche Verkehr, Logistik, Reinigung, Unternehmensführung und Organisation, Tourismus-, Hotellerie- und Gaststätten, Verkaufsberufe, medizinische Gesundheitsberufe, Lebensmittelherstellung und -verarbeitung aber auch Hoch- und Tiefbau. Darüber hinaus sind Fachkräfte in technischen und sozialen Berufen tätig. Positiv fällt ebenfalls di Anerkennung von Berufs- und Bildungsabschlüssen auf: Von 2015 bis 2017 wurden insgesamt 1.231 Verfahren von innerhalb der EU erworbenen Abschlüssen eingeleitet. Erfreulich ist dabei die positive und volle gleichwertige Anerkennung von rund 50 Prozent der Abschlüsse. Nur ein Bruchteil der Abschlüsse sind negativ entschieden worden. Auch diese Fachkräfte werden in Hamburg gebraucht und leisten für unsere Wirtschaft einen großen Beitrag. Seit 2015 haben insgesamt 1.233 EU-Bürgerinnen und –Bürger in Hamburg ihre Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen. Die duale Ausbildung ist dabei der Vorreiter.
Arbeitsmarkt: Laut Mikrozensus waren 2017 12.000 EU-Bürgerinnen und -Bürger selbständig tätig. Die Erwerbstätigenquote der Menschen, die einer abhängigen Beschäftigung nachgehen, lag 2017 bei 57 Prozent und steigt seit 2015. Fast 60.000 EU-Bürgerinnen und -Bürger gehen einer Beschäftigung nach. Davon haben weit über 54.000 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und 5.700 sind ausschließlich geringfügig beschäftigt. Bei den Deutschen liegt die Zahl der geringfügig Beschäftigten bei 11 Prozent, bei den EU-Bürgerinnen und -Bürger bei 9,5 Prozent.
Bei den EU-Bürgerinnen und –Bürgern sind insgesamt 10.068 Leistungsberechtigte. 3.456 von ihnen sind sognannte Aufstocker und 3.689 nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben.
Im Mai 2019 bezogen 2.160 in Hamburg lebende EU-Bürgerinnen und -Bürger Unterstützung nach dem SGB XII. An erste Stelle steht hier Polen gefolgt von Griechenland, Portugal und Italien. 15.930 EU-Bürgerinnen und -Bürger bezogen nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit im Mai 2019 Kindergeldleistungen für insgesamt 25.984 Kinder. 1.262 EU-Bürgerinnen und -Bürger beziehen Elterngeldleistungen, 2.138 Kinder mit EU-Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaates Unterhaltsvorschussleistungen im Juni 2019. Im 2019 haben bisher insgesamt 103 EU-Bürgerinnen und -Bürger Leistungen nach dem BAföG bekommen.
Interkulturelle Öffnung: 2.525 EU-Bürgerinnen und -Bürger arbeiten in den Hamburgischen Behörden und Bezirksämtern, Hochschulen, Landesbetrieben und öffentlichen Unternehmen. Da die Angaben zur statistischen Erfassung der Herkunft freiwillig ist und viele Menschen –unter anderem auch die EU-Bürgerinnen und -Bürger – sich in Hamburg einbürgern lassen, sind die Daten hier nicht 100 Prozent vermittelbar, was eine höhere Zahl vermute lässt.
Sprachvermittlung für Erwachsene: Bei der Anmeldung zu den offenen Deutschkursen der VHS werden die Nationalitäten statistisch nicht erfasst, jedoch konnte festgestellt werden, dass seit 2017 auf freiwilliger Basis Angaben zur Herkunft gemacht wurden. Demnach haben sich seit 2017 3.208 Teilnehmende eine EU-Herkunft angegeben. Auch durch das Projekt „step.in – Beratung mobil“ haben seit 2016 114 EU-Bürgerinnen und -Bürger an Deutschkursen teilgenommen. Hinzu kommen die niedrigschwelligen Sprachangebote der Hamburger Integrationszentren mit 32 Personen.
Selbstorganisation von EU-Bürgerinnen und –Bürgern: In Hamburg gibt es 44 Migrantenselbstorganisationen mit einem klaren Fokus auf EU-Bürgerinnen und -Bürger, die im Rahmen der Projektförderungen, Netzwerkarbeit, Veranstaltungen oder anlassbezogen mit dem Senat zusammenarbeiten. Bei den Bezirksversammlungswahlen im Mai 2017 wurden elf Menschen mit EU-Staatsangehörigkeit als Kandidatinnen und Kandidaten aufgestellt, davon sind zwei als Bezirksabgeordnete gewählt worden.
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