Schleswig-Holstein erzeugt mehr Windstrom als jedes andere Bundesland. Da die Netzkapazität bei Produktionsspitzen nicht ausreicht, kann vorhandene Energie nicht genutzt werden. Mit der SINTEG-Verordnung fördert die Bundesregierung neue Ansätze, um die schwankende Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie nutzbar zu machen. Die Bürgerschaftsfraktionen von Grünen, SPD, CDU und Linken bemängeln wirtschaftliche Nachteile für Unternehmen, die die Verordnung bisher nicht beseitigt. Um Unternehmen mehr Spielräume für innovative Lösungen in diesem Bereich zu schaffen, fordern sie die Bundesregierung mit einem gemeinsamen Antrag dazu auf, die SINTEG-Verordnung anzupassen. Der Antrag folgt damit der Empfehlung des gemeinsamen Ausschusses für die Zusammenarbeit der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein.
Dazu Ulrike Sparr, umweltpolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion: „Im Norden Deutschlands ist die Energiewende bereits weit vorangeschritten. Bei der Einspeisung von Erneuerbaren Energien könnten wir allerdings schon viel weiter sein. Statt Leistungsüberschüsse zu verwerten, werden Windkraftwerke bei hoher Produktion abgeschaltet. Wir müssen endlich den Weg frei machen, damit Forscher und Unternehmen wie im Projekt ‚Norddeutsche Energiewende 4.0‘ innovative Lösungen entwickeln können. Leider ist die SINTEG-Verordnung, die neue Technologien in diesem Bereich fördern soll, auf halbem Wege stehen geblieben. Nach wie vor hindert ein kompliziertes System aus Steuern, Abgaben und Umlagen Unternehmen daran, im Bereich der Sektorkopplung neue Wege zu gehen. Deswegen sind wir uns im gemeinsamen Ausschuss der Parlamente Schleswig-Holsteins und Hamburgs partei- und koalitionsübergreifend einig, dass der Bund die SINTEG-Verordnung anpassen muss! Langfristig muss der Bund den Strommarkt so regulieren, dass Erneuerbare Energien konkurrenzfähig bleiben. Der vorliegende Antrag ist ein erster Schritt in diese Richtung und ein positives Signal für den Klimaschutz und für neue und zeitgemäße Industrien und Arbeitsplätze.“
Hintergrund:
Die Nutzung des Windstroms aus dem Norden wird zurzeit in zweierlei Hinsicht begrenzt. Zum einen werden Windräder abgeregelt, wenn die Netzkapazität nicht ausreicht, um den Strom zu den Verbrauchern zu transportieren. Zum anderen übersteigt das Stromangebot im Gesamtnetz zu manchen Zeiten die Nachfrage – auch deshalb, weil fossile Kraftwerke zu Zeiten eines hohen Windstrom-Angebots nicht heruntergeregelt werden. Dann ergeben sich auf dem Strommarkt „negative Preise“: Stromerzeuger müssen dafür bezahlen, ihren Strom ins Netz speisen zu können.
Das heißt aber nicht, dass der Windstrom „überschüssig“ ist. In beiden Situationen könnte der Strom technisch gesehen gut im Norden genutzt werden, wie zum Beispiel in zeitlich regelbaren energieintensiven Industrieprozessen, um Stromspeicher zu füllen, Wärme zu erzeugen oder grünes Gas herzustellen. Diese „Sektorkopplung“ ist ein Kernelement der Energiewende. Forscher und Unternehmen arbeiten im Projekt „NEW 4.0 Norddeutsche Energiewende“ gemeinsam daran, Stromerzeugung und Verbrauch auf diese Art auch zeitlich zusammenzubringen. Sie wollen eine Strategie entwickeln, mit der Hamburg und Schleswig-Holstein sich schon 2035 komplett mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgen können.
Doch das bisherige System von Steuern, Abgaben und Umlagen steht dem im Wege: Für jede Kilowattstunde Strom, die aus dem Netz entnommen wird, werden für EEG-Umlage, Netzentgelte und Stromsteuer mehr als 12 Cent fällig. Das heißt: Selbst wenn der Strom kostenlos aus einem benachbarten Windpark bereitgestellt wird, die Anlagen zur Erzeugung von Wärme und Gas kostenlos wären und der Wirkungsgrad bei hundert Prozent läge, könnten Gas und Wärme aus Windstrom auf dem Markt nicht konkurrieren.
Dieses Dilemma kann nur auf Bundesebene gelöst werden. Dafür setzen sich Hamburg und Schleswig-Holstein gemeinsam ein.
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