Selbstverwaltete Wohnprojekte wie Jägerpassage oder Große Freiheit haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem wichtigen Bestandteil der Quartiere etabliert. Selbstverwaltung, Selbstbestimmung und Gewährleistung günstiger Mieten in alternativen Wohn- und Lebensentwürfen sind die Kernelemente dieser Projekte, darunter auch die sogenannten ABB-Projekte (Alternative Baubetreuung). Rot-Grün hat nun einen Antrag für die heutige Bürgerschaftssitzung eingereicht, der die Überführung der Wohnprojekte in eine eigenständige Gesellschaft vorsieht, welche die selbstverwalteten Strukturen der Projekte gewährleistet. Damit wird eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt.
Dazu Olaf Duge, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Grünen Bürgerschaftsfraktion: „Wir sind sehr froh, dass wir diese Projekte nun dauerhaft sichern. Alternative Wohn-und Lebensentwürfe gehören zu einer Stadt wie das Salz in der Suppe. Das Grüne Credo in der Stadtentwicklung und Quartiersbildung war und bleibt ein lebendiger Mix aus Wohnformen. Die ABB-Projekte sind quasi die Keimzelle der Baugemeinschaften, die heute ein wichtiges Element der vielfältigen Wohnungsbauvorhaben darstellen – sei es in Oberbillwerder, Mitte Altona, Trabrennbahn oder Wilhelmsburg, um nur einige Beispiele zu nennen. Wir wollen auch weiterhin den Menschen Wege eröffnen, damit sie so leben können, wie sie es wollen – auch mal abseits der Konventionen. Raum für Selbstbestimmung und Selbstverwaltung sowie eine Gewährleistung von Instandhaltung bei günstigen Mieten für Einkommensschwache ist elementar für das Stadtgefüge einer ‚Stadt für Alle‘. Und das ist Hamburg. Dazu gehören für uns auch die ABB-Projekte, Bauwagen und alle anderen Wohnformen.“
Dazu Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion: „Wir bringen zusammen, was zusammengehört. Von der Stadt verantwortete Wohnprojekte sollten auch in einer städtischen Gesellschaft zusammengefasst werden. Damit sichern wir langfristig die Möglichkeit selbstbestimmter Wohn- und Lebensformen in Hamburg. Ein sensibler Umgang mit den gewachsenen Rahmenbedingungen der Wohnprojekte ist uns dabei sehr wichtig. Durch die neue Gesellschaft werden die Bewohnerinnen und Bewohner ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Sicherheit behalten. Besonders freut mich, dass wir diese Lösung im Einklang mit allen Beteiligten erzielen konnten. Die neue Gesellschaft wird darüber hinaus notwendige Investitionen in den Wohnungsbau für vordringlich Wohnungssuchende vornehmen und damit zur Entlastung des Wohnungsmarktes beitragen.“
Hintergrund:
Ende der 1970er-/Anfang der 1980er-Jahre setzte ein Umdenken in der Stadtentwicklungspolitik ein. Statt Abriss und Neubau rückte immer mehr die Sanierung von Altbaubeständen, der Erhalt von Quartieren und Maßnahmen zur sozialen Steuerung in den Vordergrund. Der Lebensstandard war allgemein gestiegen, die alten Familienstrukturen brachen auf und Single- und alleinerziehende Haushalte sowie Wohn- und Hausgemeinschaftswohnformen stellten andere Anforderungen an die Stadtentwicklung. Spekulationsbedingter Altbauleerstand, besetzte Häuser und Forderungen nach einer Stadtentwicklung von Unten mit Beteiligung der Betroffenen prägten die 80er. Es entstand die sogenannte „behutsame Stadtteilerneuerung“, in deren Folge eine breite Förderkulisse und ein neuer Rechtsrahmen mit ausgewiesenen Sanierungsgebieten geschaffen wurden.
1987 gründete der Senat das Programm „Stadterneuerung und soziale Arbeit“ (Einführungsdrucksache 12/350 vom 10. Februar 1987), welches die finanzielle Förderung und Entwicklung alternativer Wohn- und Lebensformen geregelt hat. Die damit verbundenen Hauptziele waren die
- Erhaltung und Schaffung preiswerten Wohnraums,
- Unterstützung von neuen, selbstbestimmten Wohn- und Lebensformen und
- Erschließung des beschäftigungsintensiven Stadterneuerungsbereichs für die Problemgruppen des Arbeitsmarktes.
Ein Schwerpunkt der Förderung war das Programm zur Alternativen Baubetreuung (ABB-Programm). Sozial benachteiligten Mietern sollten „Chancen für eine dauerhafte und wirtschaftlich vertretbare Nutzung nach eigenen Vorstellungen und in möglichst eigenständiger Verwaltung gegeben werden“, beschrieb 1994 der damalige Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow das Programm.
Angesichts der damaligen gravierenden Verknappung preiswerten Wohnraums und hoher Neubaukosten ist im Rahmen dieses Programms vorhandener Wohnraum in Altbauten durch anteilige bauliche Selbsthilfe instandgesetzt und an die Nutzergruppen vermietet worden.
Das zentrale Ziel des ABB-Programms bestand darin, bedürftigen sozialen Gruppen in städtebaulichen Problemlagen durch hohe Selbsthilfeleistungen im Altbaubestand die Erhaltung von preiswertem Wohnraum, die Entwicklung alternativer Wohnformen und die Qualifizierung für den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Durch die Einführung von alternativen Sanierungsträgern wurde eine professionelle Betreuung zur Umsetzung der anspruchsvollen sozialen Zielsetzung sichergestellt.
Dieses Programm besteht nunmehr seit 30 Jahren. Heute sind viele Wohnprojekte essentieller Bestandteil gewachsener Stadtviertel geworden – vom Bergedorfer Mohnhof über die JäPa (Jägerpassage) in St. Pauli bis zur Ohlsdorfer „Fuhle“ oder der Wilhelmburger Fährstraße. Wohnareale wie die Falkenried-Terrasse oder das Schröderstift konnten nach den jahrelangen Auseinandersetzungen erhalten werden. Das Förderprogramm der Stadt hat letztendlich dazu geführt, dass die Mieten in den Häusern günstig blieben und bis heute Platz für alternative Lebensentwürfe besteht. Und sie haben, wie das Beispiel Jäpa zeigt, historische Bauwerke gerettet. Das um 1870 erbaute Haus gilt als eines der ältesten Zeugnisse des sozialen Wohnungsbaus.
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